Sonntag, 16. September 2007

Woche der Glückseligkeit

H!,

schreib ich mal, was diese Woche so passiert ist. Ich habe ja schon geschrieben, dass meine Woche hier Montags anfängt, da ich den einen Kurs nicht mehr besuche. Das hat sich jetzt geändert, am Dienstag hat uns unser KI-Prof erzählt, dass er Dienstags keinen Kurs mehr macht, weil er 'mehr Zeit für seine Arbeit braucht' :)
Genau, dies bedeutet nun, dass ich Dienstags auch keine Vorlesung habe. Womit sich mein Wochenende auf vier Tage verlängert und meine Woche auf drei Tage gekürzt hat. So soll's sein.
Den Anfang dieser Woche stand im Zeichen der Partyvorbereitung. Iliane und ich haben uns in den Kopf gesetzt eine Party mit den ausländischen Studis hier zu veranstalten. Jetzt ist das aber nicht so einfach, denn die Frauen dürfen ja nicht ins Jungen-Hostel und die Männer nicht ins Mädchen-Hostel. Damit fällt die Wahl der Örtlichkeit schonmal außerhalb der Hostels. Zweites Problem ist: Auf dem Kampus ist Alkohol verboten (Irgendwie widerspricht, dass hier halt alles gegen den Sinn eines Kampus). Es gilt also den Alkohol außerhalb zu kaufen und reinzuschmuggeln. Das Reinschmuggeln ist kein Problem, die 'Wachkräfte' am Eingang des IIT haben nicht das geringse Interesse am Inhalt der Rucksäcke der Studis. Problematischer war es dann schon erstmal genügend Leute zusammenzubekommen die mitfahren, damit wir das Zeug auch tragen können. Wir waren dann letzlich auch nur zu dritt. Dann mussten wir den 'Wine Shop' auch erstmal finden, nach einer kurzen Tour durch das anliegende Viertel hatten wir dann auch das geschafft und warme Biers und ne Flasche Wodka gekauft. Für die Kühlung haben wir uns auch schon Gedanken gemacht:

Am Tag vorher habe ich beim Kampus-Bäcker-Allerlei-und-Mehr-Verkäufer 10 kg Eis reserviert. Das haben wir dann abgeholt und in Bottiche in unseren Zimmern gefüllt, noch eiskaltes Wasser aus den Wasserspendern dazu und Bier rein und ziehen lassen.
Man stelle sich nun nochmal gedanklich folgendes Bild vor: In Indien gehen drei Weiße vor den Eingang des Hostels unter klirrenden Geräuschen gibt Iliane mir ihren Rucksack, weil sie ja nicht reindarf, Lutz hält nen großen Bottich in der Hand in der ein rießiger Eisblock drinliegt. Dann gehen wir mit drei Rucksäcke und einem fettem Grinsen und eben diesem Bottich in sein Zimmer. Wir waren halt so unauffällig und subtil wie ne Atombombe. Das macht auch deutlich, wie ernst die 'Wachmänner' hier am Eingang des Hostels ihren Job nehmen.
Gut das Bier wurde also gekühlt, gab es nur noch eine kleine Hürde zu nehmen: Wo soll das Ganze stattfinden, wir haben uns dann für das Dach vom Management Building entschieden, dort haben in der Vergangenheit wohl auch schonmal Ausländer abgehongen. Gut dann. Also habe ich die 15 Ausländer informiert und diese gebeten in nicht allzugroßen Gruppen dort einzutreffen (denn natürlich hat auch das Management-Building Wachmänner...die würden sich wahrscheinlich auch nicht viel mehr dafür interessieren, wenn 15 Ausländer auf einen Schlag ihr Gebäude betreten, aber man muss es ja nicht provozieren). Wir haben dann beim Kampus-Bäcker-Allerlei-und-Mehr-Verkäufer, kalte Mischgetränke gekauft und Becher. Dann das kühle Bier in die Rucksäcke verteilt und los gings. Das hat auch alles wunderbar geklappt, es war zwar etwas schwierig im Management-Building den Weg zum Dach zu finden, da derjenige nicht immer beleuchtet und nicht intuitiv war, aber es hat jeder geschafft. Auf dem Dach des Hauses war es auch recht gemütlich, man hatte eine schöne Aussicht über die Stadt und im Westen (?) konnte man den ganzen Abend Wetterleuchten beobachten, wir hatte also auch noch ne Light-Show. Hier wenige Eindrücke:

Das Bier war auch einigermaßen kalt und es wurde alles vernichtet, die Party ging für einige recht kurz, da sie am nächsten Tag nen Test oder sowas hatten, für andere (mich) eher lang. Als es anfing zu regnen mussten wir uns ins Treppenhaus setzen, was genuso gemütlich war. Es war nett, so viele verschiedene Nationalitäten an einem Platz zu haben und man konnte die verschiedenen Erfahrungen austauschen. Insgesamt bezeichne ich die Aktion als gelungen, das nächste mal vielleicht etwas mehr Bier und eine breitere Spirituosen-Auswahl, dafür braucht man aber zwei, drei Helfer mehr.

Auf dem Heimweg habe ich mich dann noch mit dem Fahrrad abgelegt, aua, da ich noch nicht der große Meister auf zwei Rädern bin :) Wie ich unauffällig ins Hostel gekommen bin ist mir unklar, wahrscheinlich gar nicht unauffällig, aber die 'Wachmänner' nutzen die nächtlichen Stunden zum Schlafen (Tipp für alle die mal ihre Freundin ins Hostel einladen wollen ;) ). Das war dann die erste (mit Iliane) selbstorganisierte Party hier, schön, dass es auch hier funzt :)

Am Samstag, also gestern, war ich bei Prof. Sundar eingeladen. Gestern wurde hier der Geburtstag eines wichtigen Gottes namens Ganesha gefeiert. Ich habe von der Familie Sundars einen relativ umfassenden Einblick in die indische Mythologie bekommen, was bei mir in erster Linie Verwirrung auslöste. Die Wiedergeburt ist hier ja ein wichtiges Thema, also auch für die Götter, jeder Gott kommt also in verschiedenen Inkarnationen, dazu kommt, dass es für so ziemlich alles einen Gott gibt, zusätzlich überschneiden sich die Zuständigkeitsbereiche, dazu kommt die indische Mythologie steckt voll mit Beziehungsgeschichten, zwischen Schwester-Schwester-Göttern, Tochter-Mutter, Bruder-Bruder, Sohn-Vater, Ehemann-Ehefrau, Schwippschwager-Uroma usw., um das alles abzurunden, gibt es dann noch unendlich viele Interaktionen zwischen den Göttern und den Menschen, meist Königen, wobei ich mir nicht sicher bin, ob diese Könige immer über ein irdisches oder himmlisches Königreich herrschten. Naja fest steht: Gestern war der Geburtstag von Ganesha und das wird gefeiert, und zwar überall und ordentlich. Was den Gott gleich schonmal sympathisch macht ist, dass er eine Lieblingssüßigkeit hat, die gibts natürlich genau (!) an seinem Geburtstag. Nachdem wir bei Prof. Sundar gegessen haben (sehr lecker!), haben wir uns in sein Auto gesetzt und sind zu einem Tempel gefahren. Da hab ich dann den Segen Ganeshas bekommen und wir haben ein bißchen gesessen und erzählt, dann ging es weiter zu einem Aussichtspunkt, von dem man die Küste sehr schön sehen konnte:
(OK hier kann man die Küste nicht sehen, aber den Platz ganz schön)
Prof. Sundar hat mir von der Tragödie Tsunami erzählt, die bis dahin in Indien niemand kannte. Danach sind wir in einen Krokodilzoo gefahren, das war sehr cool. Ich habe dort Krokodile von überall der Welt gesehen und fotografiert:


Außerdem gab es dort Schildkröten und Schlangen. Am beeindruckensten waren jedoch die Krokodile vor allem dieser 6 Meter Brocken:
Auf dem Rückweg sind wir dann zu einem weiterem 800 Jahre alten Tempel gefahren, der zu den 108 wichtigsten Pilgerstätten Indiens gehört. Dort mussten wir dann auch so richtig anstehen und ne ganze Zeit lang warten, bis wir den Segen von Ganesha erhalten hatten. Die eigentliche Bedeutung des Tempels ist jedoch, junge Inder(innnen) auf den Heiratsmarkt zu bringen. Eine besondere Segnung entlässt diese mit einem Blumenkranz um den Hals, der Glaube besagt, dass mit diesem Segen sich eine gute Partie machen lässt. Wir sind danach zurückgefahren und haben bei Prof. Sundar Bier getrunken (einige Biers... am vorgezogenem Abend hat Prof. Sundar auch nicht mehr alle Merkmale eines nüchternen Bewusstseins erfüllen können). Wir haben über alles mögliche geredet und wir haben uns ein bißchen in Prof. Sundars Haus umschen können, unter anderem in der Küche, die ich mal fotografiert habe (schau gut hin Mama):
Gegen 11 Uhr gab es dann Abendessen, es gab Dosas, also die Reispfannkuchen, war wieder unglaublich lecker und ich habe mich in die indische Variante des Milchreis' verliebt: Statt Reis sind dort gebratene Nudeln drinn, außerdem ein paar Gewürze und frittierte (Yeah!) Rosinen, saugeil. Wir haben dann noch bis über 1 Uhr geredet, danach hat Prof. Sundar Jens heimgefahren (wir hatten ihn abgeholt, deshalb war er nicht mit dem Fahrrad da). Daheim war ich dann so gegen zwei Uhr, nach einem wirklich supertollem Tag, einer der besten Tage seit ich hier bin.

ciao,
Tudy.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ist ja toll, dass sich euer Prof. so viel Zeit für euch nimmt! Hoffe die Krokodile waren gut gefüttert! "Abend "-essen um elf uhr nachts!? Na ja, andere Länder, andere Sitten. Da wär ich schon verhungert. Wusste auch nicht, dass Inder auch mal gern einen trinken! Oder haben die das alles von den ausländische Studenten gelernt? Machs gut und halt die Krokodile auf Abstand!

Tudy hat gesagt…

wir waren auch etwas verwundert, aber er hat uns erzählt, dass das normal bei ihnen ist. Verhungert waren wir nicht, da das Mittagessen sehr ausgiebig war, ich glaube wir hatten 2,5 Stunden Mittaggegessen. Und obwohl es vegetarisch war, war man danach echt gut gefüllt ;)
Ob er das mit dem Alkohol in Deutschland gelernt hat, oder sich selbst beigebracht hat? Ich sehe hier immerwieder mal Inder die auch Alkohol trinken, vielleicht gehörte Prof. Sundar zu denen, er hat ja aber auch drei Jahre in Kaiserslautern studiert, da bleibt einem ja nichts anderes übrig, als irgendwnn mit dem Biertrinken anzufangen :)

Tilman hat gesagt…

"unauffällig und subtil wie ne Atombombe"... kann ich mir bildlich vorstellen, wie Tutz da nachts mit Bierchen & Radl in die Hauswand gebombt ist.

Um die Krokodile beneide ich dich ja, angeblich sollen die Flüsse hier voll von denen sein, habe aber noch keins zu Gesicht bekommen. Vielleicht auch besser so, wenn ich bedenke, dass ich im Raft gesessen bin.

Lass die Affen weiterhin sausen, Tutt! Grüße vom andern Ende der Welt..