Ich denke, es wird einmal Zeit, dass ich nicht immer nur über Freizeitaktivitäten erzähle. Schließlich arbeite ich hier ja auch was. Über die eine Vorlesung möchte ich nicht viel sagen, die ist mathematisch nicht weiter anspruchsvoll, nur viel Aufwand. Der Prof ist jetzt auch nicht so der Hit. Er hat in der Vorlesung eine Frage als zu komplex und weitgehend abgewimmelt, die VonWeizsäcker uns als elementare Übungsaufgabe gestellt hat. Es kann halt nicht jeder so sein wie vW....
Aber die andere Vorlesung ist wirklich erwähnenswert. Es fängt damit an, dass die Hälfte der Vorlesung in Lund ist und die andere Hälfte in Dänemark (jetzt habe ich schon drei Währungen im Portemonnaie herumfliegen). Heißen tut sie nonlinear time series analysis und ist wohl ein ganz heißes Gebiet, was die momentane Forschung angeht.
Angefangen hat das ganze mit acht verschlafenen Studenten auf dem Parkplatz des Mathebau um viertel nach acht morgens letzte Woche. Dann kam der Dozent mit einem Kleinbus und wir sind wie die wartende Schulklasse vor dem Ausflug alle hereingeklettert, er hat die Musik angemacht und los gings. Das ganze hatte tatsächlich mehr einen Exkursionscharakter, von daher war die Stimmung absolut gehoben und man hatte gar nicht das Gefühl, dass man zum Arbeiten gefahren wird. Gerade für mich war die Fahrt super, weil ich zum ersten Mal mit dem Auto die Öresundbrücke überquert habe, die die beiden Länder verbindet.
Angekommen, haben sich wie es sich gehört erst einmal die Dozenten vorgestellt (der Plural ist Absicht, wir haben zwei plus Gastredner). Dann allerdings kam die Vorstellungsrunde der Studenten mit Forschungsgebiet. Da wurde mir dann langsam klar, dass ich vielleicht nicht so ganz in die Gruppe passe, auch wenn ich die Voraussetzungen für den Kurs erfülle. Es hat sich herausgestellt, dass von den 15 Leuten 7 PhDstudenten sind, 5 schreiben an ihrer Masterarbeit oder sind kurz davor, zwei Austauschstudenten im Master und ich, die ich hier ja offiziell noch Bachelor bin.
Die Gruppe war sogar von den Forschungsinteressen noch bunt gemischt: Da gab es Leute, die das Wandern von Fischen untersuchen, Schwingungen beim Schneiden von Metall, die Aktienmärkte, Herzfrequenzen, Vogelgesang....Wozu man Mathematiker nicht so alles braucht und wozu die nicht alle so die Zeitreihen brauchen. Ich hab mich an der Stelle mit meiner Aussage dann ein wenig zurückgehalten:-) Was die Vorlesung so toll macht, ist, dass bei Beispielen oder Anwendungen immer Leute aus der Gruppe erzählen, wie sie das einsetzen und was sie daran besonders interessiert. Die Dozenten gehen tatsächlich darauf ein und bringen Beispiele aus den jeweiligen Fachgebieten. Sie beschäftigen sich also wirklich damit, was wir ihnen erzählt haben. Auch wenn das das Ganze ein wenig chaotisch macht, aber es ist einfach klasse!
Rein vom Erscheinungsbild her, ist die Vorlesung komplett verschieden von einer deutschen. Erstens es wird nicht mit Wasser geputzt, wenn eine Tafel da ist. Oft sind es nur Whiteboards. Auch der Tafelanschrieb funktioniert komisch. Vielleicht war der ein oder andere bei dem Filmvortrag über Wolfgang Döblin, den vW organisiert hatte. Dort hatte der Professor die gleiche Technik drauf wie die hier. Zuerst wird die Tafel komplett vollgeschrieben. Dann kommt eine Frage, oder er möchte etwas neues schreiben. Also wischt er an einer beliebigen Stelle der Tafel ein kleines Eck frei. Womöglich beschreibt er es mit einer anderen Farbe, meistens wird die entstandene Lücke einfach wieder weiß eingefärbt. Erstaunlicherweise ist es aber gar nicht so schwer, dem zu folgen. Da die Tafeln in zumindest unseren Räumen nicht verschiebbar sind, trifft es auch immer die gleichen Stellen.
Insgesamt ist auch diese Vorlesung sehr angewandt (ich habe nach wie vor bisher keinen einzigen Beweis gehört), aber dafür auch eine Herausforderung. Das Level ist sehr hoch, ganz im Gegensatz zu der anderen Vorlesung.
Heute hatten wir unseren ersten Gastvortrag, was bedeutet, dass einer der Mitarbeiter hier eine Einführung in sein Forschungsgebiet gegeben hat und dann sogar die aktuellen Probleme kurz angerissen hat. Man lernt da so viele verschiedene Sachen....
Ich hoffe, ich hab ein wenig von der Begeisterung mitteilen können! Das nächste Viertel wird nämlich weit weniger spannend....
So weit,
Leonie
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen